Römische Grüße nach Deutschland

Anhänger von "Casa Pound" heben den Arm zum "römischen Gruß"

7. Januar 2019, mehrere Tausend Anhänger der neofaschistenen Organisation Casa Pound versammeln sich vor deren Zentrum in der Innenstadt von Rom, um gemeinsam zur Via Acca Larentia zu ziehen. Der Gedenkmarsch soll an ein Attentat im Januar 1978 erinnern, bei dem vor dem Sitz der faschistischen Partei „Movimento Sociale Italiano“ (MSI) drei rechte Jugendliche getötet wurden1. Die aus mehreren europäischen Ländern angereisten Teilnehmer legen Blumen und Kerzen nieder, dann findet die Zeremonie ihren krönenden Abschluss: Casa Pound-Führer Gianluca Iannone nimmt die faschistische Totenehrung, den dreifachen „römischen Gruß“ der Teilnehmer mit dem Ruf „Presente“ entgegen – mittendrin eine Reisegruppe aus Deutschland. Seit 1952 ist der „römische Gruß“, offizielles Symbol im italienischen Faschismus unter Benito Mussolini und später auch in Deutschland als Hitlergruß übernommen, in Italien explizit verboten. Die deutschen Gäste wird das wenig gestört haben. Erwartungsvoll blicken sich Philip Stein, Jörg Dittus und Volker Ziercke vor Beginn des Schauspiels um.

Philip Stein, Jörg Dittus und Volker Ziercke beim „Acca Larentia“-Gedenkmarsch (Video siehe unten)

Stein, Leiter der sich bürgerlich gebenden rechten Kampagnenplattform „Ein Prozent für unser Land“ und des offen faschistischen „Jungeuropa“-Verlags trat bereits 2017 bei einer Konferenz der Casa Pound-Jugendorganisation „Blocco Studentesco“ auf (wir berichteten). Sowohl Jungeuropa, als auch Ein Prozent haben inzwischen ihr inoffizielles Hauptquartier im Hausprojekt der Identitären Bewegung in Halle („Flamberg“). Begleitet wurde Stein damals vom ebenfalls für Ein Prozent tätigen ehemaligen JN-Bundeschef Michael Schäfer und von John Hoewer, damals Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt. Vielfach sind die positiven Bezüge auf die sich selbst als „Faschisten des 3. Jahrtausends“ bezeichnende italienische Gruppierung im sog. neurechten Milieu, so auch bei der Identitären Bewegung (IB), der Volker Ziercke und Jörg Dittus entstammen.

Die Zeremonie an der Via Acca Larentia, ab Sekunde 22 rechts im Bild: Philip Stein, Jörg Dittus und Volker Ziercke

Im Oktober 2018 berichtete die Mitteldeutsche Zeitung, dass Dittus, der zuvor von Österreich nach Halle gezogen war, um für das Institut für Staatspolitik zu arbeiten, eine neue Anstellung im Wahlkreisbüro von Robert Farle, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion gefunden hatte2. Dittus Zugehörigkeit zur IB wurde, trotz dessen langjähriger Aktivität in dem Milieu und enger Kontakte zum österreichischen IB-Chef Martin Sellner, bestritten.

Die Zeremonie an der Via Acca Larentia aus einer weiteren Perspektive

Nicht auszuschließen ist, dass auch John Hoewer, mittlerweile vom Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion zum Büroleiter der Landesgruppe Sachsen-Anhalt im Bundestag um die Abgeordneten Frank Pasemann, Martin Reichardt, Andreas Mrosek und Matthias Büttner, aufgestiegen3, der diesjährigen Reisegruppe angehört. Der Gedenkmarsch am 7. Januar ist nämlich nicht die einzige Station der rechten Aktivisten in Rom: Ein Instagram-Foto von Philip Stein vom 5. Januar zeigt etwa das Geschäft „Roma Classic Tattooing“. Dessen Casa Pound nahestender Betreiber Lorenzo di Credico wurde im Dezember 2017 zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt, nachdem er gemeinsam mit anderen Aktivisten, behelmt und bewaffnet, Polizeibeamte angegriffen hatte, um die Unterbringung von Geflüchteten in einer ehemaligen Schule zu verhindern4.

Instagram-Post von Philip Stein mit Verlinkung von Raphaela Huber und Volker Ziercke

Verlinkt in dem Beitrag von Stein ist Raphaela Huber, die sich seit 2018 mit Hoewer in einer Beziehung befindet, und auch am Abend des 6. Januar gemeinsam mit den anderen das Rechtsrock-Konzert „Il Fuoco Sacro“ besucht. Dieses soll unter Beteiligung diverser Casa Pound nahestender Bands (u.a. „Bronson“, „SPQR“, „Hobbit“) ebenfalls an die 1978 getöteten Jugendlichen erinnern.

Ankündingung des Konzerts „Il Fuoco Sacro“ im Instagram-Profil der Band Bronson
Stein beim Konzert „Il Fuoco Sacro“ am 6. Januar 2018

Die in Österreich geborene und mittlerweile in Frankfurt am Main studierende Raphaela Huber ist ein ideales Beispiel für die Schwierigkeit der Trennung zwischen „alter“ und „neuer“ Rechter, sowie für die Verstrickungen der AfD-Bundestagsfraktion ins neonazistische Milieu. Im Frühjahr 2018 wird Huber der Öffentlichkeit das bisher erste und einzige Mal mit einem kurzen Auftritt im Video der IB-Kampagne „120 Dezibel“ bekannt. Wenig später, am 17. März 2018 besucht sie den neonazistischen „Trauermarsch“ in Dessau. Fotos zeigen sie dabei u.a. in Begleitung der Köthener Neonazis Kevin Seifert („Medienkollektiv Media Pro Patria“) und Philipp Schüppel. Dokumentiert sind außerdem diverse Besuche bei Rechtsrockkonzerten, darunter zwei Veranstaltungen in Italien im März 2018, sowie dem vom neonazistischen ukrainischen Asow-Regiment organisierten „Asgardsrei Fest“ im Dezember 2017 in Kiew. Ein Video auf dem Instagram-Profil von Huber zeigt den Auftritt der deutschen „National Socialist Black Metal“-Band „Absurd“ auf dem Festival.

Raphaela Huber im Kampagnenvideo von „120 Dezibel“
Instagram-Post von Raphaela Huber mit Video vom Absurd-Auftritt beim Asgardsrei-Fest 2017
Raphaela Huber (mittig, vermummt) mit Philipp Schüppel (links daneben) und Kevin Seifert (mit Armbinde) beim „Trauermarsch“ 2018 in Dessau | Foto: Presseservice Rathenow

Im Oktober 2018 reisen Hoewer und Huber dann zusammen mit dem ebenfalls bei der AfD-Bundestagsfraktion angestellten Jean-Pascal Hohm und dem in Frankfurt am Main lebenden Casa Pound-Aktivisten Valerio Benedetti5 nach Italien. Ein Foto des Paars in Rom kommentiert die führende Casa Pound – Aktivistin Chiara Del Fiacco mit den knappen Worten „Aryan Beauty“ – „Arische Schönheit“.

Huber und Hoewer in Rom mit Kommentar von Chiara del Fiacco („zentropista“)
Valerio Benedetti (Mitte) mit Jean-Pascal Hohm (links), John Hoewer (rechts) und Raphaela Huber (weiter rechts)

Update vom 13.01.2019

Olena Semenyaka mit der Delegation der Neonazi-Partei III. Weg in Rom

Auch eine Delegation der deutschen Neonazipartei „Der III. Weg“ besuchte den Acca Larentia – Marsch in Rom. Ein Foto zeigt die Gruppe gemeinsam mit Olena Semenyaka vom ukrainischen Asow-Regiment. Im Jahr 2018 trat Semenyaka u.a. beim Jungeuropa-Forum von Philip Stein in Dresden, im „Flamberg“ in Halle und beim JN-Europakongress auf.

Weiterführende Links

antifra*: „CasaPound Italia“ on the rise: „Faschisten des Dritten Jahrtausends“ marschieren mit 5.000 Leuten durch Rom

Antifaschistisches Infoblatt: Inspirierender Faschismus für eine neue Rechte?

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