Robert Möritz: Ein Neonazi in der CDU

Robert Möritz (links) bei einer "Spendenaktion" von Uniter am 6. Dezember 2019 in Leipzig | Screenshot facebook

Dieser Artikel wurde am 20.12.2019 aktualisiert. Die Aktualisierung findet sich am Ende der Seite.

6. Dezember 2019, Nikolaustag. Auf den Straßen von Leipzig verteilt eine Gruppe Spenden an Obdachlose. Für ein Erinnerungsfoto posieren zwei Männer, einer von ihnen ist unkenntlich gemacht, bei dem anderen handelt es sich um Robert Möritz, einen Funktionär der CDU aus dem Kreisverband Anhalt-Bitterfeld. In den Händen halten die beiden eine weiße Fahne – darauf das Logo des umstrittenen Vereins Uniter. Dieser, ursprünglich in Halle gegründet und nach eigener Auskunft ein Netzwerk aus aktiven und ehemaligen Angehörigen von Sicherheitskräften, geriet in den Fokus der Öffentlichkeit, als ein Netzwerk von Chatgruppen (mit den Namen „Nord“, „Süd“, „Ost“ und „West“) aufflog, in denen sich Soldaten, Polizeibeamte, Neonazis und andere auf einen sogenannten „Tag X“ vorbereiteten. Administriert wurden die Gruppen von dem aus Halle stammenden Uniter-Chef André Schmitt. Auch der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco Albrecht gehörte einer der Gruppen an. In der Gruppe „Nord“ gab es relativ konkrete Pläne zur Liquidation politischer Gegner*innen. Immer wieder gab es daraufhin auch Berichte über Kampftrainings, die im Rahmen von Uniter-Veranstaltungen stattfanden1.

Die Fotos von der Aktion in Leipzig veröffentlicht Robert Möritz auf seinem facebook-Profil. Auf seinem Twitter-Account teilt der aktive Parteifunktionär außerdem Adventsgrüße mit den Worten „Uniter wünscht allen einen schönen ersten Advent“. Twitter-Nutzer werden darauf aufmerksam und fragen nach, inwiefern eine Uniter-Mitgliedschaft mit den Werten der CDU vereinbar ist. Seit etwa August 2018 ist Möritz Mitglied der Jungen Union, seit Oktober des selben Jahres gehört er dem Vorstand des Kreisverbands Anhalt-Bitterfeld an. Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 trat er in Löbnitz an der Linde auf Listenplatz 1 an und erhielt auch ein Mandat im Ortschaftsrat. Außerdem gehört er dem „Konservativen Kreis“ der CDU in Sachsen-Anhalt an. Kai Meliß, ein weiteres Mitglied des Konservatien Kreises verteidigt Möritz auf Twitter. Uniter sei „eine zugelassene Vereinigung, die im Vereinsregister geführt wird“. Aktivitäten und Positionen des Vereins und seiner Akteure spielen hier offenbar keine Rolle, was zählt ist der rechtliche Status.

Im Laufe des 11. Dezember bricht plötzlich Hektik aus. Möritz löscht seinen Twitter-Account, von seinem facebook-Profil verschwinden zahlreiche Beiträge – mit gutem Grund. Im Jahr 2015 teilte er diverse Beiträge der Rechtsrock-Band Barricades aus dem Umland von Halle, welche sogar seinem Instagram-Profil folgt. Ein Foto zeigte, dass Möritz eine sog. Schwarze Sonne auf seinen rechten Ellenbogen tättowiert hat. Zeugenaussagen zufolge soll er weitere neonazistische Tattoos am Körper tragen. Auch fanden sich Beiträge aus dem Neonazi-Milieu, in der die Todesstrafe für sog. „Kinderschänder“ gefordert wird.

Möritz empfiehlt ein Video der Neonazi-Band Barricades | Screenshot facebook
Möritz mit tättowierter „Schwarzer Sonne“ | Screenshot facebook
Möritz mit besser erkennbarer „Schwarzer Sonne“ an einem Stand von White Skull Tattoo | Screenshot facebook, via Henrik Merker
Robert Möritz (rechts) beim Neonaziaufmarsch am 1. Mai 2011 in Halle | Screenshot Youtube

Jetzt wird bekannt: Robert Möritz zeigte nicht nur im Internet eine Affinität zur Neonaziszene, er gehörte dieser selbst an. Am 1. Mai 2011 findet in Halle ein bundesweiter Neonaziaufmarsch statt, an dem laut Beobachtern etwa 920 Personen teilnehmen2. Auf Fotos und Videos ist Möritz als Teilnehmer zu sehen. Im direkten Umfeld des Lautsprecherwagens, am Arm eine Ordnerbinde,  läuft er mürrisch blickend an den Kameras vorbei. Als Organisator und gleichzeitig Fahrer des Lautsprecherwagens fungiert an diesem Tag Enrico Marx, zentraler Akteur der neonazistischen Musikszene in Sachsen-Anhalt, der etwa auch der Band Barricades nahesteht. Gemeinsam mit Jens Bauer, der an dem Tag als Redner auftritt, wird Marx in den folgenden Jahren einer der wichtigsten Unterstützer des NSU-Helfers Ralf Wohlleben sein. Mehrfach besuchen sie gemeinsam den NSU-Prozess in München. Bauer, heute Chef der neuheidnisch-neonazistischen Artgemeinschaft, gewährt der Familie Wohlleben nach dessen Haftentlassung Unterschlupf. Zum Zeitpunkt des Aufmarschs befinden sich die Mitglieder des NSU noch im Untergrund, erst im November 2011 werden sie sich selbst enttarnen.

Video vom Neonaziaufmarsch am 1. Mai 2011 in Halle. Zu Beginn mit Ordnerbinde im Bild: Robert Möritz, am Steuer Enrico Marx

Ein Beitrag auf Robert Möritz Instagram-Profil zeigt, dass er seine Tattoos im Studio White Skull in Halle stechen lässt. Dort arbeitende Tättowierer stehen ebenfalls Enrico Marx nahe3.

Besuch im Tattostudio White Skull in Halle| Screenshot Instagram

Der Fall Robert Möritz kommt für die Sachsen-Anhalts CDU in einer Phase, in der diese versucht, ihr Verhältnis zur im Land teils offen faschistisch auftretenden AfD zu klären. Insbesondere Mitglieder des von Möritz und Kai Meliß vertretenen Konservativen Kreises und der sog. WerteUnion sind es, die immer wieder eine Öffnung der Partei in Richtung der AfD fordern. Ein bei einem Parteitag der CDU am vergangenen Wochenende in Magdeburg beschlossener Leitantrag schließt nur eine Koalition mit der AfD auf Landesebene aus. Entgegen voriger Fomulierungen wird etwa eine durch die AfD tolerierte Minderheitsregierung ebenso wenig abgelehnt wie eine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene4.

Update vom 20.12.2019:

Nachdem der Fall Robert Möritz deutschlandweit und international5 Aufsehen erregte und Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition zeitweilig in die Krise stürzte, ist neues belastendes Material aufgetaucht.

Robert Möritz und die Neonaziszene

Robert Möritz (links oben) im Dezember 2014 u.a. mit Mitgliedern der Neonazi-Band Barricades, darunter Dennis und Yvonne Stöber, Jens März | Screenshot facebook

Ein vom Neonazi Dennis Stöber veröffentlichter facebook-Eintrag zeigt Robert Möritz im Dezember 2014 u.a. mit Mitgliedern der im Umfeld von Halle ansässigen Band Barricades, darunter Stöber, dessen Ehefrau Yvonne, sowie Jens März. Möritz selbst kommentierte das Foto mit „War ein geiler Abend!!!“.

Möritz (Vordergrund) am 1. Mai 2011 in Halle, dahinter die Tätowierer Matthias Knopf und Florian Jass | Foto: Thomas Rassloff

Ein weiteres Foto zeigt Möritz beim Neonaziaufmarsch am 1. Mai 2011 in Halle in direkter Nähe zu den rechten Tätowierern Matthias Knopf und Florian Jass. Von Jass (White Skull Tattoostudio) ließ sich Möritz noch im Jahr 2018 ein Tatto stechen (s.o.). Insgesamt werden so erhebliche Zweifel an einer von Möritz behaupteten Distanzierung von der Neonaziszene6 laut.

CDU und Uniter

Ankündigung des „Security Round Table“ am 11. Dezember 2019 in Bernburg | Screenshot uniter-network.de

Während Robert Möritz seinen sofortigen Austritt aus dem Uniter e.V. verkündete, wurden weitere Fälle in Sachsen-Anhalts CDU bekannt. Kai Mehliß, ebenfalls Mitglied im Konservativen Kreis der CDU und im Frühjahr 2019 Kandidat für den Bernburger Stadtrat sowie den Kreistag Salzlandkreis, war ebenfalls Mitglied des Vereins. Noch am 11. Dezember 2019 war er für die Durchführung eines sog. „Security Round Table“ in Bernburg zuständig. Eine Ankündigung auf der Uniter-Webseite weist den Vorsitzenden der örtlichen Freimaurer-Loge und stellvertretender Landesvorsitzenden des Arbeiter-Samariter-Bundes mit offizieller Mailadresse als Ansprechpartner aus.

Über einen ehemaligen CDU-Stadtrat aus Sandersdorf-Brehna wurde bekannt, dass dieser im Jahr 2012 gemeinsam mit André Schmitt zum ersten Mal einen Uniter e.V. gründete7. Dieser wurde später aufgelöst und 2016 in Stuttgart durch Schmitt neu gegründet.

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