Reichsbürger und Bundeswehr: Rechtsterroristische Verbindungen in der AfD Sachsen-Anhalt
9. Mai 2017: In Kiel kommen sieben Männer und eine Frau zusammen, um den Verein Deutsch-Russisches Friedenswerk e.V. zu gründen. Am selben Tag wird der Sohn des frisch gewählten Vize-Vereinspäsidenten auf Antrag des Generalbundesanwalts wegen Terrorverdachts festgenommen.
„Und in Hermann Görings geliebter Rominter Heide, versteckt in den grünen Hügeln, da werden wir »ein Bootcamp machen«. Schon bald. »So Wehrsportgruppe-Hoffmann-mäßig, verstehste?«, flüstert Thomas.“
So zitiert der Autor Tobias Ginsburg, der undercover in der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter recherchierte, in seinem Buch „Die Reise ins Reich“ den Hallenser Thomas Tischer, neben Godwin Bachmann Kopf des Deutsch-Russischen Friedenswerks. Zum Zeitpunkt dieser Aussage ist dessen Sohn Maximilian Tischer, ein im elsässischen Illkirch stationierter Bundeswehrsoldat, bereits wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Generalbundesanwalt ermittelte gegen ihn als Unterstützer des Oberleutnants Franco Albrecht, welcher bekannt wurde, weil er, als syrischer Geflüchteter getarnt, einen Terroranschlag geplant haben soll.
Von Reichsbürgern und Ostpreußen
3. Juli 2017: Bei einem Abendessen mit dem Chefredakteur des verschwörungsideologischen Compact-Magazins Jürgen Elsässer und dem späteren AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann in Kahla, Tobias Ginsburg berichtet darüber in seinem Buch, schildert Vater Tischer seinen Plan: Eine deutsche Siedlung, genannt „Arche“, für unzufriedene Deutsche im Kaliningrader Gebiet oder nach reichsdeutscher Definition „Königsberg“ in „Ostpreußen“. Nicht nur ansiedeln sollen sich die „heimatlosen“ Deutschen dort, sondern auch Firmen gründen und eine blühende Wirtschaftslandschaft erschaffen, angeblich mit dem Segen der russischen Regierung. Steuervorteile sollen deutsche Unternehmen anlocken, die dort Briefkastenfirmen gründen und Verträge mit Thomas Tischers Treuhandfirma abschließen. Eingefädelt wurde das Treffen in Kahla vom heutigen Schkopauer AfD-Gemeinderat und Umzugsunternehmer Sven Ebert, ein eng mit der Identitären Bewegung verbundener Vertrauter Elsässers. Man einigt sich darauf, das Projekt bei einem „Unternehmeressen“ am Vorabend des sog. Russlandkongresses der AfD am 12. August 2017 in Magdeburg vorzustellen.
Die radikaleren Aussagen tätigt Thomas Tischer dann erst im privaten Gepräch mit Ginsburg. Neben den Plänen von der Wehrsportgruppe zur Vorbereitung des nahenden Bürgerkriegs offenbart der Ex-Reichsbürger auch seine Ideologie: „Du kannst die Welt nur noch mit einer ganz radikalen Maßnahme retten. Wenn du Milliarden biologisch und den ganzen Nahen Osten atomar vernichtest.“
Die Idee von der Siedlung in „Königsberg“ ist nicht neu. Bereits Anfang der 1990er Jahre gründet sich um den verurteilen Rechtsterroristen Manfred Roeder das Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk mit nahezu identischen Zielen. Den Protagonisten des „Friedenswerks“ dürfte das bekannt sein. Sowohl Vereinspräsident Godwin Bachmann, als auch Stellvertreter Thomas Tischer, entstammen der Neonaziszene, der 2. Stellvertreter Lutz Kind aus Klein Pravtshagen ist in der Reichsbürgerszene aktiv gewesen. Bachmann gehört als eines von 12 Geschwistern dem völkischen Siedler-Clan um die Eltern Raimund und Sylvia Bachmann an1, ist mit dem Rest der Familie aber verstritten. Thomas Tischer erklärte, früher in der NPD und bei den Republikanern aktiv gewesen zu sein, er wolle aber zeitnah der AfD beitreten. Erste gemeinsame Aktivitäten der beiden sind aus den 2000er Jahren bekannt: In Magdeburg betrieben sie diverse der Reichsbürgerszene zuzuordnenede Projekte, darunter ein sog. Justizzentrum Magdeburg, ein Reichsverwaltungsamt und den „Runden Tisch Magdeburg“2.
Auffällig ist, dass für Bachmann und „Reichsinspektor“ Tischer dabei auch immer das Geschäft im Vordergund stand: In einem Online-Shop verkauften sie „Staatsanleihen“ des „Deutschen Reiches“, im April 2007 versuchten sie den historischen Hotel-Komplex der Wasserburg in Gommern zu pachten. Wegen dubiosen Geschäftsgebarens wurde immer wieder gegen beide ermittelt. Auch den russischen Behörden ist das offenbar nicht verborgen geblieben: Laut eines Beobachters vor Ort soll ihnen mittlerweile die Gründung von Firmen auf russischem Gebiet untersagt worden sein. Dennoch fand auch eine im Mai 2019 vom „Friedenswerk“ organisierte Busreise nach Kaliningrad regen Zuspruch. Die Reisenden sollten für 750€ pro Person nicht nur ihr zukünftiges Siedlungsgebiet und die „viel besungene“ Rominter Heide besichtigen können, sondern auch die Möglichkeit erhalten, vor Ort ein Bankkonto zu eröffnen. Bereits bei der Abreise an einem Rasthof an der Autobahn 9 verteilte eine Frau Werbematerial des Compact-Magazins. Dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer ist es, der regelmäßig Staatsbedienstete und Soldaten der Bundeswehr zum Umsturz aufruft.
Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr
Inwiefern die Aktivitäten von Maximilian Tischer mit den Plänen seines Vaters zusammenhängen, lässt sich nicht klar beantworten. Jedoch: Beide sind in oder im Umfeld der AfD in Sachsen-Anhalt aktiv, ihre Ideen und Pläne gleichen sich.
Maximilian, der heute in Magdeburg lebt, und Franco Albrecht lernten sich beim Jägerbattaillon 291 der Deutsch-Französischen Brigade in Illkirch kennen, beide hatten dort zuletzt den Rang des Oberleutnants. Nach Informationen der taz besuchen beide im Januar 2017 gemeinsam mit Maximilians Schwester und Francos Freundin Sophia Tischer einen Offiziersball in Wien. Am Abend darauf finden sie angeblich in einem Gebüsch eine geladene Pistole, welche Franco später auf einer Toilette des Wiener Flughafens versteckt und ein Foto vom Versteck u.a. an Maximilian Tischer verschickt. Als er zwei Wochen später zurückkehrt, um die Pistole abzuholen, wird er festgenommen, das Versteck war aufgeflogen.
Im April 2017 wird Albrecht dann von den deutschen Behörden verhaftet, kurz darauf auch Maximilian Tischer. Ihnen wird die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ vorgeworfen. Albrecht soll sich als syrischer Flüchtling „David Benjamin“ registriert und einen Anschlag geplant haben, Tischer entschuldigte ihn für Termine in dieser Angelegenheit bei seinen Vorgesetzten. Beide waren Mitglieder in Chatgruppen des aus Halle stammenden ebenfalls unter Terrorverdacht stehenden KSK-Soldaten und Chef des Vereins Uniter André Schmitt alias „Hannibal“, deren Mitglieder sich auf den Untergang der staatlichen Ordnung vorbereiteten – Franco in Chatgruppe „Süd“, Maximilian in „Ost“. Die Mitglieder der Gruppe „Nord“ aus Mecklenburg-Vorpommern sollen die groß angelegte Ermordung politischer Gegner geplant haben. Auch bei Maximilian Tischer wurden Listen politischer Gegner gefunden, bei Albrecht Fotos aus der Tiefgarage der Büros der Amadeu-Antonio-Stiftung, ein beliebtes Ziel rechter Hetze. Bereits im Jahr 2015 soll Tischer bei einem Gespräch vor einer Diskothek in Magdeburg gesagt haben, man suche noch Gleichgesinnte, um sich zu organisieren. Ein Zeuge meldete das dem Militärischen Abschirmdienst.
Die Schusswaffen, die Franco Albrecht laut Zeugen besessen haben soll, finden die Ermittler nie. Dafür wird bekannt, dass bei einer Schießübung, an der Tischer teilnahm, eine Pistole verschwand. Ein Oberleutnant aus Augustdorf, der mit Maximilian Tischer bekannt ist, fällt den Behörden auf, weil er, ganz im Stil von Vater Thomas Tischer, vom deutschen Königsberg fantasiert. Einmal erzählt der Soldat laut taz einem Kameraden von „einer Gruppe in Illkirch, die versuche, Waffen und Munition zu sammeln, um sich auf einen Bürgerkrieg vorzubereiten“.
Kaum sind die Ermittlungen gegen Maximilian Tischer eingestellt, beginnt er eine neue Tätigkeit beim AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte, der ausgerechnet im Verteidigungsausschuss tätig ist. Außerdem übernimmt er ein Parteiamt im Landesverband Sachsen-Anhalt: Dort ist er für den Fachausschuss für Außen- und Sicherheitspolitk zuständig. In der Partei wird er wohlwollend aufgenommen, im Kommunalwahlkampf 2019 steht er an Infoständen der Magdeburger AfD neben dem Kreisvorsitzenden Ronny Kumpf. Gemeinsam mit seiner Schwester Sophia, die weiterhin mit Franco Albrecht in einer Beziehung lebt, leitet er ein Mode-Startup. Sophia engagiert sich in der Linkspartei, zwischen 2017 und 2018 tauchte sie wiederholt in Begleitung Francos bei Parteiveranstaltungen in Berlin auf.
Aufschlussreich ist aber vor allem Maximilian Tischers weitere Tätigkeit für die Bundeswehr. Allen Ermittlungen zum Trotz ist er laut Bericht der taz auch aktuell auf dem „Gefechtsübungszentrum Heer“ in der Altmark, einer „zentralen Ausbildungseinrichtung“ der Bundeswehr, beschäftigt. In der dortigen Übungsstadt „Schnöggersburg“ trainieren Soldaten aus der ganzen Welt für ihren Einsatz. Angesichts der Berichte über im Umfeld der Gruppe verschwundenen Waffen, Munition und Übungshandgranaten wohl ein ideales Tätigkeitsfeld.
Update vom 08.12.2019:
Ab Dezember 2019 bekleidet Maximilian Tischer das Amt des Schatzmeisters im Landesverband der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt3.
Weiterführende Links / Literatur
- taz-Recherche zu rechtem Netzwerk: „Risiko im Reichstag“ https://taz.de/taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5634114/
- Ginsburg, Tobias (2018). Die Reise ins Reich – Unter Reichsbürgern. Berlin: Das Neue Berlin.
- Meisner, Matthias; Kleffner, Heike (2019). Extreme Sicherheit – Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder
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