Rechte Reservisten sorgen für Aufruhr

Soldat Michael Schuster mit Sachsenfahne

Die im Juni veröffentlichten Recherchen zu einer neonazistischen Preppergruppe aus Burschenschaftern und Reservisten der Bundeswehr, die sich ab Herbst 2015 auf einen angeblich bevorstehenden „Rassenkrieg“ vorbereiteten, zogen eine ganze Reihe von Konsequenzen nach sich.

Die Beorderungen der im Kreisverbindungskommando des Burgenlandkreises eingesetzten Reservisten wurden vorerst aufgelöst, die Leipziger Burschenschaft Germania stellt auf ihrer Webseite fest, „dass die betroffenen Personen, soweit ihnen der Vorwurf eines persönlichen Verschuldens gemacht werden konnte, nicht mehr Mitglieder unseres Vereins sind.“

Unterdessen wurde neues Material bekannt, über das auch der Informationsdienst zur AfD in Sachsen berichtet: So sollen etwa die Leipziger Burschenschafter im Jahr 2015 einen Angriff auf eine Politiker*in bzw. deren Mutter geplant haben. Empfänger der betreffenden E-Mail war auch der Burschenschafter und u.a. für „politische Kriminalität“ zuständige Leipziger Staatsanwalt Axel Knoll1.

Geschätzter Redenschreiber

Geklärt wurde auch der Verbleib von Michael Volker Schuster, Kernmitglied der Preppergruppe. Im Sommer 2019 wurde sein Arbeitsverhältnis bei der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, wo er als Sozialreferent vor allem für die Abgeordneten Oliver Kirchner und Ulrich Siegmund tätig war, gekündigt. Grund sollen wiederholte sexistische Beleidigungen von Kolleginnen und Betrug mit Fahrtkostenabrechnungen gewesen sein. Schuster hatte Dienstreisen mit einem privaten PKW abgerechnet, für die er eigentlich den Zug genutzt hatte. Bei der anschließenden Kündigungsschutzklage wurde er vom Berliner Rechtsanwalt Alexander Bejach, ebenfalls Mitglied der Germania Leipzig, vertreten.

Da war noch alles gut: Michael Volker Schuster und der Landtagsabgeordnete Ulrich Siegmund

Schusters Qualitäten als Redenschreiber wurden in der Fraktion allerdings so sehr geschätzt, dass man auch nach der Kündigung ungern auf ihn verzichten wollte. Der Abgeordnete Daniel Wald bot an, ihn über eine geringfügige Beschäftigung wieder zu engagieren. 

22.08.19, 09:52 – Daniel Wald AfD: Grüß Dich Micha, wie gehts Dir? Was soll ich jetzt nur ohne Dich machen, wenn die Reden verteilt werden… 🙄
22.08.19, 12:57 – Michael V. Schuster: Grüße Dich! Ja, das ist bedauerlich aber wohl nicht zu ändern … kannst mich ja geringfügig einstellen 😁👍
22.08.19, 12:59 – Daniel Wald AfD: Ich hatte vorhin im LT angerufen und mich erkundigt, 310€ würden noch zur Verfügung stehen. 🙂

Zu Schusters Kunst im Redenschreiben gehörte es auch, den in der Fraktion gepflegten Rassismus so zu verpacken, dass man keine Angriffsfläche bietet. In einer von Schuster verfassten Rede des Abgeordneten Daniel Wald zum Thema Pflegekinderwesen am 04. April 2019 heißt es etwa2:

Die Landesregierung legt erneut ein inzwischen schon fast sprichwörtliches kenianisches Arbeitsethos an den Tag, das um Lichtjahre hinter dem Fleiß der tätigen Bürger unseres Landes hinterherhinkt und im Übrigen auch den fleißigen Bewohnern Kenias unrecht tut, von denen man sich Farben und Namen für die Regierungskoalition ausgeliehen hat.

Im Chat mit Wald klärt Schuster auf:

30.03.19, 00:26 – Daniel Wald AfD: Und warum tut es den fleißigen Bewohner Kenias 🇰🇪 Unrecht? 🤔
[…]
30.03.19, 05:24 – Michael V. Schuster: Der Spruch des „kenianischen Arbeitsethos“ würde ja eigentlich bedeuten „so faul wie ein Neger zu sein“, indem wir von „fleissigen Kenianern“ sprechen, umschiffen wir das Ganze. Jeder weiss zwar was gemeint ist, kann uns aber nichts anlocken.
30.03.19, 05:24 – Michael V. Schuster: Anflicken
[…]
30.03.19, 07:23 – Daniel Wald AfD: Guten Morgen, vielen Dank und ein wohlverdientes Wochenende 🤓👍🏻

Aus der Anstellung bei Daniel Wald wurde wohl trotzdem nichts. Nach diversen erfolglosen Bewerbungen, u.a. bei der sächsischen AfD-Fraktion, gelang es Schuster schließlich im Mai 2020, eine Position als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundestagsabgeordneten Rene Springer zu ergattern. Das Arbeitsverhältnis begann daraufhin im Juni, wurde aufgrund der veröffentlichten Vorwürfe aber kurz darauf durch Springer wieder gekündigt. Ende Juli 2020 läuft der Vertrag somit wieder aus3.

Neonazistische Burschenschafter

Wie das neue Material nahelegt, pflegte nicht nur der AfD-Mitarbeiter Matthias Ferdinand Kontakte zur neonazistischen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), die unter anderem durch die Organisation der berüchtigten „Trauermärsche“ in Dresden bekannt wurde. Auch Michael Schuster erhielt in der Vergangenheit Einladungen zu internen Veranstaltungen. Im Dezember 2011 besorgten die organisatorisch mitverantwortlichen Thore Stein und Philipp Reber von der Halle-Leobener Burschenschaft Germania (HLB) eine Einladung zu einem sog. Wintersonnenwendlager auf dem Harzhof in Steinbrücken, später kamen Einladungen direkt von der JLO-Bundesführung.

Mensurtag des Waffenring Halle-Leipzig am 30. November 2019 in Dresden. Im Vordergrund: Vertreter der Leipziger Burschenschaft Germania. Auch im Bild: Thorben Vierkant, Stefan Springer, Andreas Karsten und Philip Thaler von der Halle-Leobener Burschenschaft Germania | Foto: Staatsanwalt Axel Knoll

Von der mutmaßlich illegal durch die Burschenschafter und Neonazis genutzen Schießhalle in Jüdenberg, die durch den Altherrenvorsitzenden der HLB Thomas Schöbe betrieben wird, gibt es unterdessen wenig Neuigkeiten. Laut Mitteldeutscher Zeitung verweigert das Innenministerium Auskünfte unter Verweis auf den Datenschutz4.

Waffenbesitzer ist auch der Neonazi und AfD-Mitarbeiter Stefan Träger. Der ehemalige NPD-Bundestagskandidat arbeitet inzwischen trotzt Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei als Geschäftsführer der AfD-Stadtratsfraktion in Magdeburg. Um zu provozieren trat Träger im Jahr 2016 in den Kreisverband Börde der CDU ein. CDU-Kreischef und Innenminister Holger Stahlknecht sah sich daraufhin arglistig getäuscht5. In der Folge klagte Träger mithilfe des Neonazi-Anwalts Matthias Brauer (u.a. Burschenschaft Dresdensia Leipzig) gegen Stahlknecht. Im Chat mit Michael Schuster heißt es dazu:

Wolf Schuster

Kümmert sich Brauer auch um den ehrabschneidenden Vorwurf der „arglistigen Täuschung“ durch den MI [Innenminister]?

09.09.2017, 13:24

Stefan Traeger

Jap jap 😉

09.09.2017, 14:55

[…]

Wolf Schuster

kannst ihn ja auf Pistolen fordern!

09.09.2017, 15:40

[…]

Stefan Traeger

das ist nicht gut. stahlknecht kann nachschauen welche kaliber ichbesitzte

09.09.2017, 15:40

Wolf Schuster

haha

09.09.2017, 15:41

Auch bisher offenbar erfolglose Versuche, für die im März 2017 neu gegründete Magdeburger Burschenschaft Germania mithilfe eines Mäzens ein Haus zu erwerben, werden im Chat zwischen Schuster und Träger deutlich. In Reaktion auf mehrere Angebote von Immobilien im Edithawinkel in Magdeburg heißt es:

Wolf Schuster

das wär ne Maßnahme…wir bilden im edithawinkel eine national befreite Zone in dem wir dort alle häser aufkaufen…zaun drum, fertig is die White, caged community

15.06.2017, 09:47

Stefan Traeger

genau 😀

15.06.2017, 09:47

Rechte Reservisten

Mit Michael Volker Schuster und Gunnar Glowka waren zwei Mitglieder der neonazistischen Preppergruppe als Reservisten im Kreisverbindungskommando (KVK) Burgenlandkreis der Bundeswehr eingesetzt, Glowka auch aktiv im Pandemie-Stab des Landkreises während der Coronakrise.

Michael Volker Schuster bei einer Veranstaltung des sächsischen Reservistenverbands

Über den bisherigen Leiter des KVK Norbert Waldinger waren bis jetzt nur seine Mitgliedschaften in verschiedenen Corps sowie die persönliche Freundschaft zu  Schuster und Glowka bekannt. Neues Material bietet jetzt auch Einblick in seine politische Vorstellungswelt. In Reaktion auf die Einweihung eines Denkmals für die Opfer der NS-Justiz in Hamburg schreibt dieser am 26. November 2015 eine E-Mail an seine KVK-Kameraden Michael Schuster, Gunnar Glowka und Jens Hülßner, offenbar in der Erwartung, dass diese seine Meinung teilen:

Es ist unglaublich, wie dumm die Menschen sind! Ja nicht nur dumm, sondern dreist, wenn sie sich nach so langer Zeit über all die Deutschen vor allem Männer erheben, die für ihr Vaterland gefallen sind und treu den Dienst versahen. Wenn ein Volk in Gänze Krieg führt, kann es keinen zu ehrenden Deserteur geben. Ob uns später einer ehren würde, wenn wir bei unseren Volksverrätern aus Protest den Dienst verweigerten? Natürlich nicht, da ja immer nur eine neues System auf diese Idee käme und natürlich nicht eines, was ein Schwachmatensystem ist und wohl bleibt. Sich aber über all die Toten zu erheben und Ihnen Deserteure mindestens gleichzusetzen, ist ein weiteres inakzeptables Agieren unserer Politiker und verhöhnt die Gefallenen!


MdbW


Norbert

Als der Präsident des Reservistenverbandes Roderich Kiesewetter die Soldaten im September 2015 um Unterstützung in der Flüchtlingshilfe bittet, schreibt Waldinger:

Liebe Kameraden,

diese Mail habe ich heute bekommen! Kennt Ihr sie schon? Die glauben doch wohl nicht, dass ich da auch noch helfe, höchstens bei der beschleunigten Bearbeitung und Abschiebung. Das ist alles so zum Kotzen! Gibt es da nicht eine Möglichkeit, wie man gegen die Verräter vorgehen kann?

Auf das, was Deutschland zur führenden Nation gemacht hat!

Norbert

Der Reservist Kai Mehliß, der Schuster in einer Chatnachricht mit „Sieg Heil, Herr Hauptmann“ grüßte, musste unterdessen einen Großteil seiner Posten aufgeben. Aus der CDU trat er nach massivem Druck aus6, auch von seinem Sitz im Landesvorstand des Arbeiter-Samariter-Bundes gab er zurück7.

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