Urteil gegen Gruppe Somogyi
Die Schönebecker Waffen-Connection der Terrorgruppe
Nach mehr als 170 Verhandlungstagen fiel am 30. November 2023 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart das Urteil gegen die Rechtsterroristen der Gruppe Somogyi. Zwischen Herbst 2019 und Frühjahr 2020 hatte sich die Gruppe gebildet und verabredet, mit Waffengewalt Moscheen anzugreifen um letztlich einen Umsturz in Deutschland herbeizuführen. Nachdem ein Beteiligter die Gruppe an die Polizei verraten hatte, wurden die Mitglieder am 14. Februar 2020 festgenommen, wir berichteten.
Der Gründer, Werner Somogyi, wurde wegen Rädelsführerschaft in einer terrorristischen Vereinigung (§ 129a StGB) zu sechs Jahren Haft verurteilt. Co-Chef Tony Ebel wurde zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
Rekrutiert hatte Somogyi seine Mitstreiter weitgehend aus dem Kreis der rechten „Bürgerwehr“ Soldiers of Odin (SoO) sowie deren Abspaltungen Vikings Security Germania (VSG) und Wodans Erben Germanien. Organisiert wurde sich über verschiedene Chatgruppen im Messenger-Dienst Telegram, sowie bei konspirativen Treffen.
Ein Blick auf die Mitglieder und Unterstützer aus Sachsen-Anhalt legt Verbindungen von Rockerstrukturen, Waffenhändlern und teilweise seit Jahrzehnten einschlägig bekannten rechten Gewalttätern offen.
Beteiligte aus Sachsen-Anhalt
Zu den Verurteilten zählen auch Steffen Balder aus Nienburg (Saale) mit drei Jahren und neun Monaten Haft, sowie Stefan Krause aus Coswig mit zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Beide dürften sich aufgrund der langen Untersuchungshaft nach dem Urteil wieder auf freiem Fuß befinden.
Bekannt waren Balder und Krause durch ihre Aktivitäten bei der SoO-Abspaltung Vikings Security Germania (VSG), in der sie Führungspositionen einnahmen, Krause als Vizechef der „Division“ Sachsen-Anhalt und Balder als nationaler „Sergeant at arms“1. Chef der Landes-Division war zu der Zeit Per Meier aus Coswig. Schon mit 19 Jahren, im Juni 2001, hatte Meier mit mehreren Mittätern einen Brandanschlag auf ein asiatisches Geschäft in Jeßnitz verübt und war anschließend wegen achtfachen versuchten Mordes zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilt worden2.
Chronik und Waffenbeschaffung
Das Gründungstreffen der Gruppe Somogyi fand am 28. September 2019 in Alfdorf (Baden-Württemberg) statt, nachdem man sich zuvor in der Chatgruppe „Heimat“ verabredet hatte. Das Treffen diente dem Kennenlernen der Mitglieder und ersten Abstimmungen zu den Zielen. Anführer Somogyi führte hier bereits eine Pistole vor, die er während des Treffens für Schießübungen nutzte. Balder und Krause waren zwar bereits eingeladen, hatten ihre Teilnahme aber abgesagt. Später sollten sie dennoch zentrale Verantwortliche für die Beschaffung von Waffen werden.
Im Umfeld der rechten Demonstration zum „Tag der Nation“ am 3. Oktober 2019 in Berlin kam es dann zum nächsten Treffen, an dem nun auch Balder und Krause teilnahmen. Bereits hier erhielt Balder von Somogyi den Auftrag, über seine Kontakte in Schönebeck drei selbstgebaute sogenannte Slam Guns zu beschaffen. Nur wenige Tage später, am 9. Oktober 2019, nutzte auch der Attentäter von Halle eine solche selbstgebaute Waffe für seinen Anschlag.
Am 8. Februar 2020 kam es schließlich zum letzten Treffen der Gruppe. Konspirativ versammelte man sich in der Wohnung des ursprünglich aus Gommern (Jerichower Land) stammenden Reichsbürgers Thomas Niemann in Minden (Nordrhein-Westfalen). Ursprünglich hatte Steffen Balder dort in Begleitung von Per Meier und Sven Globig erscheinen sollen, stattdessen nahm dann aber wieder Stefan Krause teil.
Konkretisiert wurden hier die Anschlagspläne: Man wollte als Einzeltäter oder in kleinen Gruppen Moscheen angreifen und dort möglichst viele Gläubige töten oder verletzen, um dadurch schlussendlich bügerkriegsähnliche Zustände in Deutschland auszulösen. Schließlich wurde auch die weitere Beschaffung von Waffen vereinbart: Steffen Balder stellte eine nötige Gesamtsumme von 50.000€ in den Raum, wofür die einzelnen Mitglieder jeweils vierstellige Geldbeträge zusicherten. Balder und Krause sollten dann über ihre Schönebecker Kontakte Gewehre und Handgranaten beschaffen, Frank Holl über einen Händler in Tschechien Pistolen.
Direkt im Anschluss fuhren Balder und Krause zurück nach Schönebeck, um die Geburtstagsfeier des Neonazis Enrico Pohlmann zu besuchen, die im von Sven Globig betriebenen Skatclub in der Innenstadt stattfinden sollte. Dort sollen auch die beiden Waffenhändler Mario Schiedung und André Mike Bryx zugegen gewesen sein, die bereits über die Soldiers of Odin mit Somogyi bekannt waren.
Schiedung war der Kontakt, über den Balder bereits die erste der bestellten Slam Guns samt Munition beschafft hatte, welche bei den Durchsuchungen am 14. Februar 2020 gefunden wurde. Auch Schiedungs Wohnung wurde im Zuge der Razzien durchsucht, wobei eine umfangreiche Werkstatt zur Waffenherstellung festgestellt wurde. Szeneintern wurde Schiedung wiederholt verdächtigt, ein V-Mann des Verfassungsschutzes zu sein, in Chats unter Beteiligung Balders wurde er als „amtlich bekannter Anscheißer“ bezeichnet.3.
André Mike Bryx sollte schließlich die Langwaffen samt Munition und Handgranaten beschaffen und nahm dazu nach dem Treffen am 08. Februar konkrete Verhandlungen auf. In Chats konnten u.a. Absprachen zum Kauf eines Gewehrs AK-47 für Werner Somogyi festgestellt werden. Wiederholt nannte er auch Preise für verschiedene Waffentypen. Die bei Stefan Krause sichergestellte Munition für eine Schotflinte konnte er aufgrund seiner Waffenbesitzkarte legal erwerben.
Nachdem innerhalb der Gruppe der Verdacht aufgekommen war, dass der spätere Kronzeuge Paul-Ludwig Ulbrich die Pläne an die Polizei verraten hatte, stornierte Balder die Bestellungen. Als Bryx im Prozess als Zeuge vernommen werden sollte, verweigerte er die Aussage4.
Rechte Rocker und Tattoostudios
Sven Globig, der, wie auch Per Meier, offenbar nur wegen seines Fehlens in Minden nicht zum Kern der Terrorgrupe dazustieß, ist bis heute eine zentrale Figur der Neonaziszene in Schönebeck und Umgebung.
Globig ist nicht nur Vorsitzender des Schönebecker Skatverein e.V., sondern seit Sommer 2022 auch Präsident des neu gegründeten Chapters Badland des Underdogs MC. Der vor allem regional zwischen Sachsen, Sachen-Anhalt und Thüringen aktive Motorradclub ist eng mit der rechten Szene verbunden. Mehrere Mitglieder des MC waren etwa auch am Überfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz am 11.01.2016 beteiligt. 5. Neben Badland existieren im nördlichen Sachsen-Anhalt die Chapter Stassfurt im Salzlandkreis und Northside mit Sitz in Möckern (Jerichower Land).
Führungsmitglieder von Globigs Chapter, dessen Clubhaus sich in Großmühlingen bei Schönebeck befindet, sind etwa der ehemals bei Magida 2.0 aktive Kevin Hirschmann („Sergeant at arms“) und David Stahl („Secretary“), welcher eine Autowerkstatt im selben Gebäude in Magdeburg-Neustadt betreibt, in dem sich um 2021 die örtlichen Räume der Neue Stärke Partei (NSP) befanden.
Andere Mitglieder von Badland arbeiten in den von Globig betriebenen Tattoostudios Van Helsink in Schönebeck und im Tattoo Atelier 39 in Magdeburg-Sudenburg.
Kontinuitäten rechter Gewalt
Michel Matthias ist ebenfalls bei Van Helsink am Markt mitten in der Schönebecker Innenstadt tätig. Mutmaßlich begann er die Arbeit dort direkt nach Absitzen einer siebenjährigen Haftstrafe wegen versuchten Totschlags. Gemeinsam mit acht anderen Neonazis hatte er im September 2013 den Betreiber eines Dönerimbisses in Bernburg schwerstens verletzt6, der Fall machte bundesweit Schlagzeilen7. Matthias, der von 2006 bis 2009 der NPD-Jugendorganisation JN angehörte, war bereits zuvor durch eine rechte Gewalttat aufgefallen: Im Jahr 2010 hatte er gemeinsam mit einem Kameraden einen Aussteiger aus der rechten Szene in dessen Wohnung misshandelt. Ein Foto zeigt Matthias am 17. Januar 2020, also weniger als einen Monat vor Auffliegen der Gruppe Somogyi, direkt hinter Steffen Balder auf dem Neonazi-„Trauermarsch“ in Magdeburg.
Zum Angriff in Bernburg mitangeklagt, aber schlussendlich freigesprochen, war der Schönebecker Gewalttäter Francesco Lenz, der zuletzt im Magdeburger Ableger der NSP aktiv war.
Auch der zu 8 Jahren und 2 Monaten verurteilte Haupttäter Maik Ruchhöft ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Bereits zwischen 2003 und 2008 hatte er gemeinsam mit seinem Bruder Michael Ruchhöft verschiedene rechte Gewalttaten in Genthin (Jerichower Land) verübt. Michael Ruchhöft lebt mittlerweile in der Schweiz, gehört den im Sommer 2023 in Deutschland verbotenen Hammerskins an und betreibt die rechte Bekleidungsmarke Resistend Sportswear8.
Weiterführende Links
https://rkowl.blackblogs.org/2020/02/23/rechter-terror-gruppe-somogyi
https://prozessbeobachtung.org/prozesstag-72-rueckblick-auf-die-razzia-und-vernehmung-von-steffen-b/
Referenzen
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