„Komplott“ – identitärer NS-Rap, nicht aus Halle
Am 31. Mai 2016 veröffentlichte „Komplott“, selbsternannter „Identitärer Rapper“, unter dem Label der Identitären-Gruppe „Kontrakultur Halle“ den Track „Europa“. Im Frühjahr 2017 folgten weitere Veröffentlichungen des bisher anonymen Rappers. Wie Recherchen ergaben, ist er in rechten Kreisen jedoch kein Unbekannter. Hinter „Komplott“ verbirgt sich Patrick Uli Bass (*29.08.1992) aus der Nähe von Ulm, der schon zuvor als Nazi-Rapper aktiv war und derzeit in Heidelberg wohnt.
Vom Neonazi zum Neonazi-Burschenschaftler
Patrick Bass war schon vor dem Jahr 2010 als Mitglied der neonazistischen „AG Schwaben“ aktiv. Zu dieser Zeit nahm er an verschiedenen Neonaziaufmärschen, unter anderem in Dresden, Augsburg und Heilbronn, teil1. Auch soll es erste musikalische Aktivitäten gegeben haben, Berichten zufolge aber nur mit mäßigem Erfolg2.
Im Jahr 2012 trat er dann unter dem Namen „Subverziv“ erstmals als Rapper mit einem Mobilisierungs-Track zum letztendlich durch die Polizei verbotenen 3 neonazistischen „Antikriegstag“ in Dortmund in Erscheinung. Bei dieser einen Veröffentlichung sollte es vorerst auch bleiben. Organisiert wurde der „Antikriegstag“ durch den ebenfalls 2012 verbotenen „Nationalen Widerstand Dortmund“ um Dennis Giemsch und Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt. Eine Rede von Giemsch, der von 2014 bis 2015 für die Partei „Die Rechte“ im Dortmunder Stadtrat saß, wird auch im „Subverziv“-Track intensiv genutzt.
Nach einem Zwischenstopp in Saarbrücken zog es Bass zum Studium nach Marburg, wo er gemeinsam mit seinem „AG-Schwaben“-Kameraden Tobias Sauer als Mitglied der neonazistischen Burschenschaft Germania Marburg bekannt wurde. Hier dürfte es erste Berührungspunkte zur sogenannten Neuen Rechten gegeben haben, so gehörte zeitgleich auch der heutige „Ein Prozent“-Netzwerker Philip Stein den Aktiven der Burschenschaft an. Im Jahr 2013 betreute Bass einen Stand der Germania Marburg auf der vom „Blaue Narzisse“-Verleger Felix Menzel organisierten Messe „Zwischentag“4. Mittlerweile studiert er Jura in Heidelberg.
Patrick Bass verfügt somit über eine für einen Identitären prototypische Biografie, welche sich meist durch eine Vergangenheit bei den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) oder einer Struktur der „Autonomen Nationalisten“ (AN), oft mit anschließender Betätigung in einer Burschenschaft, auszeichnet. Gerade Burschenschaften wie die Germania Marburg haben die Vernetzung und Vermischung dieser Szenen über die Jahre vorangetrieben und können jetzt Personen in teilweise einflussreichen Positionen platzieren, so zum Beispiel den Marburger Torben Braga als persönlichen Referenten von Björn Höcke, Philip Stein zwischen IB, „Ein Prozent“ und „Institut für Staatspolitik“ oder Marcel Grauf als AfD-Wahlkreismitarbeiter in Baden-Württemberg5.
Komplott wird als „Identitärer Rap aus Halle“ präsentiert, tatsächlich ist aber keine tiefere Verbindung nach Halle erkennbar. Vielmehr erscheint dies einerseits als Maßnahme, die Identität von Patrick Bass zu verschleiern, andererseits strategisch zur Steigerung der Reichweite gewählt. Die Gruppierung Kontrakultur Halle nimmt durch ihr verhältnismäßig eigenständiges Auftreten sowie die gleichzeitig enge Bindung an österreichische Strukturen eine Sonderrolle innerhalb der IB ein. Mit Simon Kaupert zog vor einigen Monaten einer der Akteure von „Ein Prozent“ nach Halle und nahm seitdem auch an Aktionen von „Kontrakultur“ teil. Die Initiative sammelt Spenden für den Hallenser Ableger der IB und war auch an der Finanzierung der von Komplott und Christoph Zloch alias Chris Ares online veröffentlichten EP beteiligt. Jedenfalls passt die Einbindung „Komplotts“ auch hinsichtlich der gemeinsamen ideologischen Biographie sehr gut, da es sich bei „Kontrakultur Halle“ im Kern ebenfalls um einen Zusammenschluss ehemaliger JN- beziehungsweise AN-Kader handelt, die versuchen, ihrer faschistischen Ideologie einen modernen Anstrich zu geben 6.
Im Oktober 2016 erschien ein Beitrag des Youtube-Kanals „Jäger & Sammler“ über rechte Rapmusik, in dem „Komplott“ interviewt wurde 7. Auch der Neonazi-Rapper Julian Fritsch alias Makss Damage wurde dort thematisiert. Später veröffentlichte der Kanal auch das ganze Rohmaterial des „Komplott“-Interviews. Auf Makss Damage angesprochen distanzierte sich Bass von diesem, der sei ja Nationalsozialist und kein „Identitärer“ 8. Auf die Frage, was Komplott von Makss Damage unterscheiden würde, nannte Bass Inhalte und Sprachgebrauch.
Seine spätere Äußerung, er sei „an dem Tag sehr friedlich und viel zu liberal gestimmt“ gewesen und Bass‘ im Folgenden dargestellte Beiträge in sozialen Netzwerken zeigen, dass es sich dabei offensichtlich nur um ein Lippenbekenntnis handelte. Hier offenbart sich deutlich sein Problem, ein neonazistisches Ideologiegerüst in eine „identitäre“ oder „ethnopluralistische“ Hülle zu verpacken.
Ideologie konstant, Verpackung flexibel
Dass Bass weiterhin Sympathien für faschistische Bewegungen hegt, zeigt sich beim Betrachten seiner Accounts in sozialen Netzwerken. So postet er bei Instagram beispielsweise ein Foto von Propagandamaterial der faschistischen Gruppe „Casa Pound“ aus Italien mit der Unterschrift „Heute kam Post <3“. Auf den ersten Blick finden sich vor allem Bezüge zu deutschem Nationalismus. Er präsentiert Fotos von Kriegsdenkmälern mit entsprechenden Sprüchen und zeigt Fotos seiner „Ahnen“.
Bei genauerem Hinsehen finden sich dann aber doch eindeutig positive Bezugnahme zum Nationalsozialismus. So veröffentlichte Patrick Bass alias „Hans Meier“ am 13.09.2016 ein Bild des NS-Plakates „Die rote Weltpest – der Bolschewismus“, das für die gleichnamige Wanderausstellung der NSDAP 9 im Jahr 1937 warb. Zudem postete er am 10.02.2017 auf der Komplott-Facebook-Seite ein bearbeitetes NS-Propagandabild vom „Kalender des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP“ aus dem Jahr 1938. Auf seinem Youtube-Account finden sich in einer Playlist Lieder des Neonazi-Liedermachers „Arische Jugend“, in einer anderen Musik von „Skrewdriver“ und „Stahlgewitter“.
Mobitrack zum Antikriegstag 2012 als „Subverziv“
Schon in dem Mobitrack, den Patrick Bass unter dem Pseudonym „Subverziv“ zum „Antikriegstag“ 2012 veröffentlichte, fand sich die „ethnopluralistische“ Komponente. Der „Ethnopluralismus“, der im Grunde nichts anderes als Blut-und-Boden-Ideologie ist, wird von der sogenannten Neuen Rechten als Abgrenzung zur neonazistischen „Alten Rechten“ propagiert und ist ein zentraler Bestandteil der Ideologie.
So rappt er:
„Die Völker der Erde sehnen sich wieder nach Freiheit
Die Einheit vereint, auf in die glorreiche Zeit.
Viel zu lang waren Freunde als Feinde geteilt.
Aufgespalten von den gleichen, schleimigen Schweinen
Die auch heute noch die Welt in allerlei Kriege treiben
Gemeinsam mit Dortmund jedes Jahr im September
Für ein freies Europa der Vaterländer
In Eintracht gegen diese staatenlosen Verbrecher“
Grundnarrativ des Auszuges ist die angebliche Unfreiheit von als Völkern imaginierten Einheiten, die, und hier schließen sich typische antisemitische Verschwörungsideen an, von einigen wenigen aufgespalten und in Kriege gegeneinander getrieben würden. Des Weiteren wird der Gegensatz der freien Vaterländer Europas zu jenen Personen aufgemacht, die nur gemeinsam diese „Staatenlosen Verbrecher“ loswerden könnten. Wer damit gemeint ist, wird klar, wenn er davon spricht, dass es die gleichen „Schweine“ seien, die auch vorher schon die eigentlich friedlichen europäischen Völker in Kriege gegeneinander getrieben hätten.
Noch expliziter wird das antisemitische Weltbild Bass‘ in der zweiten Strophe des Tracks:
„Sieh diese Welt an, siehst du den Weltenbrand
Dieses Land da im Westen mit Geltungsdrang
Und dieser Staat da am Toten Meer mit dem Hexagramm
Stecken für Macht und Geld die ganze Welt in Brand“
Hier sagt er ganz deutlich, wer die in der ersten Strophe ausgemachten „Schweine“ seien: Amerika und Israel.
Im weiteren Text erläutert er zunächst anhand eines Rückgriffes auf die Geschichte, welche Maßnahmen getroffen werden müssten.
„Heldenhaft zogen einst Männer in die Schlacht
Und bekämpften diese Macht namens Geldherrschaft
Nach mehr als nem halben Jahrhundert könn‘ wir ahnen
Warum das damals war, weil sie alles kaputtmachen
Alles in Schutt und Asche, geht mit uns auf die Straße
Zeigt den Puppenspielern da, sie halten es in ihren Händen
Doch es gibt noch diese Menschen, die ihren Ziele kennen
und gegen diese Dinge kämpfen, die sie Frieden nennen“
Hier entwickelt Bass Verständnis für die Vernichtungsideologie des NS als eine Art proaktive Abwehr gegen die schon in der ersten Strophe entmenschlichten „Schweine“. Die Shoa wird als ein heldenhafter Kampf gegen die „Geldherrschaft“ deklariert. Gleichzeitig wird der historische Aspekt in den letzten Zeilen mit der heutigen Zeit verknüpft. Genau wie damals gebe es auch heute noch Menschen, und zu denen rechnet sich Bass, die die Hoffnung auf die Ausrottung jüdischen Lebens unter dem Mantel des Friedens noch nicht aufgegeben haben.
Neue Lieder unter dem Namen „Komplott“ ab Mai 2016
Neben dem Stimmeinsatz, der Stimme, wenn auch unter dem Pseudonym „Komplott“ besser abgemischt, und der Reimstruktur, zieht sich noch ein weiteres Kontinuum durch die Tracks von Patrick Bass. Gerne werden politische Redebeiträge zwischen die Strophen eingeschoben. War es 2012 unter „Subverziv“ die 2011 am „Antikriegstag“ von Dennis Giemsch gehaltene Rede zum „Zinskapitalismus“, übernahm 2016 Götz Kubitschek die Rolle des den Pathos des restlichen Liedes aufnehmenden Redners, beim Track „Widerstand“ (mit Chris Ares) wird Björn Höcke zitiert.
Mit dem Background als „Subverziv“ können wir nun verschiedene ideologische Kontinuitäten bei Patrick Bass auch in den Tracks Komplotts nachvollziehen.
Am virulentesten ist die Komponente der „Freien Vaterländer Europas“, wie er plakativ im Track „Europa“ zu finden ist.
Spannender jedoch ist es den anderen ideologischen Versatzstücken, wie dem exponierten Antisemitismus bei dem Track „Subverzivs“, nachzugehen. Dieser äußert sich nicht mehr so offen, wie zu Bass‘ AN-Zeiten, ist jedoch noch deutlich zu fassen.
So findet sich in dem Track „Speerspitze“ von der EP mit Chris Ares der Begriff der „Hochfinanz“, statt der „Geldherrschaft“:
„Weil die Hochfinanz deutscher Politik das Loch stopft, […]“
Auch der schon von Subverziv bekannte Terminus des „Kriegstreibers“ als antisemitische Chiffre, findet sich bei Komplott in seinem Part des Tracks „Widerstand“ wieder:
„Korruption, Halbwahrheiten, Kriegstreiber, Kinderficker, wir sind das Pack mit erhobenem Mittelfinger“
An dieser Stelle findet sich noch ein weiterer Aspekt, der schon bei „Subverziv“ nachzuweisen ist, aber auch bei „Komplott“ an anderen Stellen mehrmals aufgegriffen wird, nämlich den der angeblichen Unfreiheit Deutschlands, das von verschiedenen Mächten fremdbestimmt würde. Wieder werden hier klassische antisemitische Stereotype aufgegriffen.
So etwa im Track „Gestern und Morgen“:
„Mein Volk, wie kein zweites dieser Erde. Heute bricht der Wolf in deine Herde, Ahh
Noch bist du blind, noch bist du taub, Schlangenzungen haben deine Sinne geraubt
Tyrannen halten dich mit Hass und Verachtung in Agonie paralysiert in Umnachtung
Ganz Europa wartet auf dich, wag es endlich,
schlage dich durchs Dickicht des Wahnsinns im Schatten in das strahlende Licht
zeig dein wahres Gesicht du schlafender Riese, du ahnst es noch nicht
wie viel Kraft in dir ist, wie viel Macht du besitzt
wenn du erwachst von dem krankmachenden Gift
Sie führen Krieg gegen dich, Genozid gegen dich
Glauben man kann deinen Stamm einfach tauschen
Spiel dieses perfide Spiel nicht mehr mit
Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen“
Hier wird auch, wie bei Subverziv, deutlich, wie gegen die imaginierte Unfreiheit vorzugehen sei. Das Deutsche Volk müsse erwachen, und auch zum Schutz der anderen Völker, gegen die Unterdrücker bzw „spaltenden schleimigen Schweine“ vorgehen und sich ihrer entledigen.
Ähnliche Gedanken finden sich auch bei „Kaputt“:
„Wir stehen heute vor den Trümmern einer kranken Zeit,
Hass und Neid, Gier, Überfremdung und die Masse schweigt
Kriege auf der Welt für Profite und für Geld.“
Und an anderen Stellen bei „Gestern und Morgen“:
„Gläubiger Deutschritter mit einem Kreuz in der eisernen Hand für das heilige Land
Ein einendes Band, ein gleißender Brand, flammende Herzen mit treibender Kraft“„Immer bereit alle Feinde zu zerschlagen; germanische Freiheit seit 2000 Jahren“
„Ein Volk bewacht vom heiligen Michael, immer treu dem eigenen Gewissensbefehl
In einer freien Ordnung, die wir uns selbst geschaffen haben
Weder mit intriganter List, noch Waffen zu schlagen
Tapfere Taten, die Heimat war uns lieb, wir blickten zum Schöpfer, der Eisen wachsen ließ“
Dieser mit Pathos aufgeladene Gedanke ist ein immer wiederkehrendes Motiv bei „Komplott“, der sich ebenfalls bei dem Track „Widerstand“ fassen lässt:
„Der Ahnen Kindeskinder, wir wolln nicht rasten und nicht ruhn, bevor Europa wieder lebt, sich erhebt“
Wieder nichts Neues
Patrick Bass trat als Rapper erstmals 2012 mit einem Song anlässlich des neonazistischen „Antikriegstag“ in Erscheinung, wo wir alle Fragmente neonazistischer Ideologie greifen können. 2016 hatte er dann als „Identitärer Rapper“ unter dem Label der Gruppe „Kontrakultur Halle“ eine Art „Comeback“. Auch hier lassen sich, wie oben gezeigt, neonazistische Narrative und Ideologiefragmente feststellen. Grenzt sich die sogenannte Neue Rechte gewöhnlich nach außen hin vom Neonazismus ab, können wir bei Bass eine durchgehende Linie ideologischer Versatzstücke von seiner Jugend über das Pseudonym „Subverziv“ hin zu „Komplott“ nachvollziehen und nachweisen.
Wieder einmal zeigt sich: Bei den „Identitären“ sind weder die Inhalte neu, noch die Akteure. So, wie es ihnen nicht gelingt, Ideologie und Lebenswelten ohne faschistische Elemente und Bezüge zum Nationalsozialismus zu entwickeln, so können sie auch nicht auf als Neonazis erprobte Aktivisten verzichten. Auch wenn die „Neue Rechte“ angibt, einen anderen Weg als die „Alte Rechte“ zu gehen, so führen beide Wege doch in die selbe Richtung und verlaufen enger nebeneinander, als nach außen zugegeben wird.
Eine Einsendung der Gruppe Komplott-Kompott
Referenzen
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